Das ist der Himmel über Berlin. So sieht er heute aus, aber so könnte er auch ausgesehen haben, als der polnische Autor Antoni Graf Sobański von 1933 bis 1936 als Reporter durch Deutschland reiste, um zu sehen und zu beschreiben, wie sich dieses Deutschland, das er aus der Ferne immer geliebt und bewundert hat, nach Hitlers “Machtergreifung” verändert.
Seine Aufzeichnungen haben die Schauspieler des Projekts Neues Künstler Theater zu einer literarischen Miniserie verdichtet, in der Sobánskis Texte mit stillen Bildern von heute und der Musik von damals unterlegt werden. Schön und verstörend zugleich. Hier ist Teil 1:
VERFLUCHTER HALBGOTT!
Das ist der Halbgott Tantalos. Die Götter mochten ihn, weil er so klug war und luden ihn zu sich ein. Er feierte mit ihnen, wurde jedoch schnell übermütig, prahlte und klaute ihnen Nektar und Ambrosia, die ihnen Unsterblichkeit verliehen. Bei einer Gegeneinladung setzte Tantalos den Göttern seinen eigenen Sohn Pelops als Mahl vor, um ihre Allwissenheit auf die Probe zu stellen. Die Götter bemerkten den Betrug jedoch, verstießen den Frevler und verfluchten ihn und seine Familie. Jeder seiner Nachfahren solle künftig ein Familienmitglied töten und weitere Schuld auf sich laden.
Aus der ganzen verfluchten Geschichte hat das Sprechkunst-Kollektiv Dlé (bestehend aus Kemo, Jackson Mehrzweck und Jaques Tabaqu) vor ein paar Jahren ein betörend schönes HipHop-Werk geschaffen.
DAS MÖRDERISCHE TIERALPHABET
Das ist ein Tintenfisch. Er befindet sich in einer ziemlich unkomfortablen Lage, die er nicht überleben wird. Genauso wie die fünfundzwanzig anderen Tiere, von denen der Beutelratten-Vater den Kindern in seiner Gutenachtgeschichte erzählt.
Inspiriert von den morbiden Bildergeschichten von Edward Gorey sterben hier alle Kreaturen in alphabetischer Reihenfolge einen sehr überraschenden Tod.
ACCIDENTS, BLUNDERS & CALAMITIES ist ein schaurig-schöner Trickfilm aus Neuseeland (mit interessantem Twist am Schluss).
Weiterführende Informationen:
Edward Gorey bei Wikipedia
Edward Goreys Bücher im Lilienfeld-Verlag
HERR TROLLER UND HERR BRASCH
Das sind Thomas Brasch und Georg Stefan Troller. Das Bild entstand 1977 bei Dreharbeiten, als der Journalist und Schriftsteller Troller einen Film über den Schriftsteller Brasch machen wollte, der gerade von Ost- nach Westberlin übergesiedelt war. Die Dreharbeiten gestalteten sich schwierig, weil Brasch keine Lust hatte, sich vereinnahmen zu lassen.
Das kann man jetzt auch nachlesen in Trollers Buch Liebe, Lust und Abenteuer – 97 Begegnungen meines Lebens.
Hier der Abschnitt über meinen Bruder und darunter die entsprechende Szene dazu.
Interessanterweise hat Troller in seinem Text auf die Pointe verzichtet. Nachdem der Filmemacher nämlich sagte, er wolle nur, dass das Schnitzel (also Brasch) nach sich selber schmecke, reagierte der Schriftsteller sehr lakonisch …
NIEMANDSLAND
Das sind zwei Jungs in Mädchenkleidern. Sie sind “Blutsbrüder”, wohnen in Pankow und haben sich für den 27. Nationalfeiertag der DDR hübsch gemacht. Als Mutprobe. Sie sind zwölf Jahre alt.
Das ist eine der Episoden, die der Künstler Matthias Friedrich Muecke in seinem Buch NIEMANDSLAND erzählt. Episoden, die so alltäglich und dramatisch und lustig und traurig sind wie das Leben, wenn man in den 70er Jahren in Pankow aufwächst.
NIEMANDSLAND ist jedoch anders als andere Coming of Age-Geschichten, denn Muecke ist nicht nur ein sehr guter Erzähler, er hat dieses Buch auch mit ungemein detailreichen und sehr atmosphärischen Illustrationen versehen. So kann man die Abenteuer der beiden Helden in allen Grautönen buchstäblich sehen, riechen und schmecken. – Ein großartiges, wunderbar ausgestattetes Buch aus dem Verlag KUNSTANSTIFTER.
Weiterführende Informationen:
Beitrag mit Interview im RBB-Fernsehen
Am 29. Oktober liest Matthias Friedrich Muecke um 20 Uhr im Pankower BUCHLOKAL
REKLAME
KACHELBADS ERBE
Das ist eine brennende Ampel in einem Gemälde des Malers Hendrik Otremba, der das Bild “Kachelbad 1988” genannt hat. Die Geschichte dazu gehört zum Roman KACHELBADS ERBE des Schriftstellers Hendrik Otremba. Darin erzählt er von einem Wissenschaftler, der für ein amerikanisches Unternehmen Menschen einfriert, die im Heute nicht mehr leben können. Kryonik heißt das Verfahren, das der Hypothese folgt, man könne der eigenen Sterblichkeit ein Schnippchen schlagen, indem man sich erst dann wieder auftauen lässt, wenn Krankheiten besiegt sind und das Altern aufgehalten werden kann. Doch die Menschen, die zu Kachelbad kommen, glauben weniger an die eigene Unsterblichkeit, vielmehr sind sie Getriebene ihrer persönlichen Geschichten …
Der Roman erscheint heute und ist für mich eine der wundersamsten, beunruhigendsten, geheimnisvollsten und zärtlichsten Geschichten, die ich seit langem gelesen habe. Und sie ist aus dem leuchtenden Stoff, aus dem Weltliteratur entsteht: faszinierendes Gedankenspiel, Wissenschaft, Poesie, Philosophie, Magie.
Kachelbad im Fernsehen.
LESUNGEN UND SO
SCHÖN HAUSEN
Das ist eine Skizze, die mein Bruder Peter Brasch gemacht hat. Sie zeigt einige der auftretenden Figuren seines Romans SCHÖN HAUSEN. Darunter hat er notiert:
Wer ist eigentlich der Agierende in dieser Geschichte: Ein desolater Haufen Fantasie, die keinen inneren Zusammenhang hat.
Zwanzig Jahre ist es jetzt her, seit dieser wundersame, kluge, warme und lustige Schelmenroman erschienen ist, jetzt wurde er
wiederveröffentlicht, das ist schön.
Am 25. Mai 2019 war die Premiere in der Volksbühne mit Alexander Scheer, meiner Tochter Lena Brasch und mir. Hier der Mitschnitt (Kamera und Schnitt: David Gräber):
Weiterführende Informationen:
Rezension in DIE ZEIT
LIEBER WOANDERS IN DER SCHWEIZ
Das hier ist mal wieder ein bisschen Reklame für das Buch, das ich geschrieben habe. Kurz nachdem es erschienen war, kam der Schweizer Journalist Michael Luisier mich besuchen, um mit mir darüber zu sprechen. Das war schön, denn erstens ist er ein wundervoller Gesprächspartner und zweitens hat er mich ins berühmte Schweizer Radio gebracht. Das hat er auch schon bei den drei Romanen davor gemacht und mich jedes Mal als “Schriftstellerin” vorgestellt – eine Berufsbezeichnung, von der ich dachte, dass ich sie mir erst verdienen müsse. Und so begann unser Gespräch mit einem Running Gag.