EIN FREMDER UNTER UNS

Das ist Nick Drake. Das Foto wurde aufgenommen als sein erstes Album FIVE LEAVES LEFT erschien. Das war auf den Tag genau vor fünfzig Jahren. Nick Drake war damals 21 Jahre alt und ahnte vermutlich nicht, dass der Titel der Platte fünf Jahre später durch seinen Tod zu einem fatalen Gleichnis werden würde. Ob selbsterfüllende Prophezeiung oder herbeigeredeter Mythos – gut, dass es diesen wundervollen Künstler gab.
Hier unten ein Song vom Album und darunter die Doku A STRANGER AMONG US.

MEMOIREN EINES GEDÄCHTNISLOSEN

Das ist Erik Satie. Der Franzose war nicht nur Komponist, Pianist und Minimalist, sondern auch ein begnadeter Exzentriker und Scherzkeks. Vor über 100 Jahren zum Beispiel schrieb er in seinen Mémoires d’un amnésique (Memoiren eines Gedächtnislosen): „Jeder wird Ihnen sagen, ich sei kein Musiker. Das stimmt. Schon zu Beginn meiner Laufbahn … habe ich mich zu den Phonometrographen, den Schallmessern gezählt.“ An anderer Stelle informiert er uns sehr detailliert über seine täglichen Verrichtungen:

„Der Künstler muss sein Leben einteilen. Hier der genaue Zeitplan meiner täglichen Beschäftigungen:
Aufstehen: Um 7.18 Uhr. Inspiration: von 10.23 bis 11.47 Uhr. Ich nehme mein Mittagessen um 12.11 Uhr ein und stehe um 12.14 Uhr vom Tisch auf. Ersprießlicher Ausritt in den Tiefen meines Parks: von 13.19 bis 14.53 Uhr. Erneute Inspiration: von 15.12 bis 16.07 Uhr. Verschiedene Beschäftigungen (Fechten, Meditation, Reglosigkeit, Besuche, Betrachtungen, Geschicklichkeitsübungen, Schwimmen, etc.): von 16.21 bis 18.47 Uhr. Das Abendessen wird um 19.16 Uhr serviert und ist um 19.20 Uhr beendet. Es folgt symphonische Lektüre, laut vorgetragen: von 20.09 bis 21.59 Uhr. Das Schlafengehen erfolgt regelmäßig um 22.37 Uhr. Einmal wöchentlich schreckhaftes Auffahren um 3.19 Uhr (am Dienstag). Ich esse nur weiße Lebensmittel: Eier, Zucker, geriebene Knochen, Fett von toten Tieren, Kalbfleisch, Salz, Kokosnüsse, in Milchwasser gekochtes Huhn, das Schimmlige von Früchten, Reis, weiße Rüben, Weißwurst mit Kampfer, Teigwaren, (Weiß-)Käse, Salate von Watte und gewissen Fischen (nicht die Haut). Ich koche meinen Wein und trinke ihn kalt mit Fuchsiensaft. Ich habe einen guten Appetit, doch aus Angst vor dem Ersticken spreche ich nie während des Essens. Ich atme mit Bedacht (wenig auf einmal). Ich tanze sehr selten. Beim Gehen halte ich mir die Rippen und blicke starr hinter mich. Ich sehe sehr ernsthaft aus, und wenn ich lache, geschieht es unabsichtlich. Ich entschuldige mich stets dafür, und mit Leutseligkeit. Ich schlafe nur mit einem Auge, mein Schlaf ist sehr hart. Mein Bett ist rund und hat ein Loch, um den Kopf durchzustecken. Jede Stunde nimmt mir ein Diener die Temperatur und tauscht sie gegen eine andere. Seit langem habe ich eine Modezeitschrift abonniert. Ich trage eine weiße Mütze, weiße Strümpfe und eine weiße Weste. Mein Arzt hat mir immer das Rauchen empfohlen. Er fügt seinem Ratschlag hinzu: Rauchen Sie, mein Freund, sonst wird es ein anderer an Ihrer Stelle tun.“

Und nun: Drei Stücke in Form einer Birne (Trois morceau en forme de poire).

TRAGIC MAGIC

Das ist Willy de Ville. Es ist etwa zehn Jahre her, dass er im Berliner Admiralspalast-Studio von Radioeins war, um über sein Album PISTOLA zu sprechen. Es sollte seine letzte Platte und auch eines seiner letzten Interviews sein, denn wenige Wochen später, am 6. August 2009 starb er mit nur 58 Jahren. Als er bei uns im Studio war, sah man ihm die Krankheit schon an, doch er war gut drauf. Und so redete er über seltsame Zufälle (sein Freund und Produzent Jack Nitzsche starb an einem 25. August, was nicht nur der Todestag seines entfernten Verwandten Friedrich Nietzsche sei, sondern auch Willy de Villes Geburtstag), er redete über New Orleans (das niemals sterben werde und das für ihn eine Frau sei), er redete über New York in den frühen 60er Jahren (dessen Wolkenkratzer für seinen indianischen Großvater hohe Berge mit vielen Feuern wären) und er redete über einen Mann namens Paul Siebel (gegen den Bob Dylan als Sänger nichts sei).

ZEYCHEN UND WUNDER

Das ist die AG GEIGE. Sieht aus wie eine Band, war aber eine Arbeitsgemeinschaft (AG), in der multimedial mit Musik und Kunst experimentiert wurde. 1986 in Karl-Marx-Stadt gegründet, beschenkten sie die Welt etwa sieben Jahre lang mit bizarrer Musik, dadaistischen Texten und faszinierenden Shows. Man nannte sie auch die „Residents des Ostens“.

Eines der Mitglieder der AG GEIGE ist der Bildende Künstler Jan Kummer, der nicht nur sehr gute Bilder malt, sondern auch sehr gute Kinder hat, die ihrerseits in den sehr guten Bands KRAFTKLUB und BLOND spielen. Hier ein wenig Anschauungsmaterial von BLOND.

Es gibt übrigens auch einen schönen Film über die AG GEIGE, hier ist der Trailer:

SONGBOOK – GODOT (2)

Das ist Godot. Er findet es nicht gut, dass er auf einem Behördenbrief sein muss, aber manchmal ist das Leben so.
Vor einer Woche hab ich hier eine alte Radiosendung reingeklebt. Als Titel steht jetzt Godot drüber, weil ihm jemand diesen Namen gegeben hat. Es ist nicht sicher, ob es sich tatsächlich um jenen Godot handelt, auf den Wladimir und Estragon vergeblich warten, könnte aber gut sein. Wie auch immer, so geht die Geschichte (am 11. Mai 1995) weiter …

KUMMER MIT HALTUNG


Foto: hotel rocco

Das ist Felix Kummer von der sehr guten Band KRAFTKLUB. Heute ist die erste Single seines ersten Soloalbums erschienen. Sie heißt 9010, das ist die alte Postleitzahl seiner Geburtsstadt Karl-Marx-Stadt, die heute Chemnitz heißt und schlimme rechte Schlagzeilen gemacht hat. Deshalb ist es gut zu wissen, dass es dort Leute wie Felix Kummer gibt, die Haltung zeigen und Songs wie diesen machen.

SCHÖNE KRANKE KOMMUNIKATION


(Foto: Ari Marcopoulos)

Das sind die Beastie Boys. Vor genau 25 Jahren erschien ihr viertes Album Ill Communication. Aus diesem Anlass veröffentlichten die beiden noch lebenden Mitglieder Michael Diamond (Mike D) and Adam Horovitz (King Ad-Rock) eine kurze Doku, die Interviews und jede Menge Archivmaterial enthält, in dem zum Glück auch Adam (MCA) Yauch († 2012) zu sehen ist.

Und hier noch ein schönes Musikvideo von ganz früher.

Weiterführende Lektüre: Das sehr schöne Beastie Boys Buch PIZZA

SCHLIMM SCHÖN

Das ist einer dieser Greyhound-Busse, die gern von verlorenen Helden amerikanischer Filme benutzt werden. Meistens geht es in diesen Filmen um das Zurücklassen ungeliebter Vergangenheit und die Reise in eine ungewisse Zukunft. Auch in einem Musikvideo der amerikanischen Sängerin Beth Hart wird der Bus benutzt. Doch das Video erzählt trotz der guten Bilder nur halb so viel wie der Live-Mitschnitt hier unten. Da wird aus einem Vierminuten-Song trotz der schlechten Videoqualität ein abendfüllender Film.
Die Geschichte, die sie erzählt, ist ihre. Und sie tut weh.