Das bin ich irgendwann Ende der 80er Jahre. Damals arbeitete ich beim DDR-Jugendsender DT64 und moderierte in der Nacht vom 2. zum 3. Oktober 1990. Das hatte ich völlig vergessen, bis mich vor kurzem ein Kollege vom MDR daran erinnerte. Er hatte die Sendung damals gehört und mir jetzt freundlicherweise sogar den Mitschnitt besorgt. Als ich den hörte, fiel mir alles wieder ein:
Wie schwierig es war, weil ich mit dem Gedanken, zum „glücklichsten Volk der Welt“ zu gehören, nichts anfangen konnte. Wie aufgeregt ich war, weil ich nicht wusste, ob und wie ich das zeigen kann. Wie ich versucht habe, die beiden Nationalhymnen nach dem Zeitzeichen um Mitternacht zu einer Kakophonie zu mischen (was leider nicht gut klappte). Wie ich danach Musik spielen wollte, die anders klingt als der Soundtrack zu diesem sehr deutschen Ereignis. Wie SANDOW wussten, was zu tun war und wie ich schließlich wusste, dass in so eine Nacht die ganze Welt gehörte.
VERPASSTE GELEGENHEIT
S-Bahnhof Alexanderplatz.
Manchmal passt die Musik im Kopfhörer gerade. Das war hier so.
Deshalb hier der ganze Song von Charles Pasi.
GESCHENKE
Das ist J.E. Sunde.
Obwohl er aussieht wie einer von früher, macht er heute Musik.
Die klingt aber auch wie von früher.
Ein Freund hat mir diesen Song geschickt.
Er ist sehr schön.
Also der Song.
Aber der Freund auch.
Und jetzt Musik.
LUSTIGER ABKLATSCH
Das ist Steve Reich. Er gilt als Pionier der Minimal Music und hat unter anderem ein Stück komponiert, für das lediglich zwei Handpaare benötigt werden.
Clapping Music wurde schon oft aufgeführt, auch im Internet gibt es diverse interessante Aufnahmen, darunter eine historische aus dem Jahr 1972, in der man Steve Reich (rechts) gemeinsam mit seinem Kollegen Russel Hartenberger bei konzentrierter Klatscharbeit beobachten kann.
Die wohl lustigste „Visualisierung“ von Clapping Music ist allerdings zweifellos die hier unten, für die sich zwei begabte Scherzkekse namens George Manak und Peter van der Ham einer Szene aus Point Blank mit Lee Marvin and Angie Dickinson bedient haben. Unbedingt bis zu Ende gucken!
SCHNEE IM APRIL
Das ist ein schönes altes Auto. Es steht in Tucson/Arizona und gehört Howe Gelb, der den Schnee in seiner trockenen und heißen Gegend so erstaunlich fand, dass er ihn in Zeitlupe gefilmt hat.
Ich habe dieses Video aus Howe Gelbs Internet geklaut und hier reingeklebt, weil:
– es toll ist
– Howe Gelb einer der großartigsten Musiker ist, die ich kenne
– heute vor sechs Jahren Prince gestorben ist, der einen der schönsten und einsamsten Songs für einen fiktiven toten Freund geschrieben hat
PS: Prince soll den Song am 21. April 1985 aufgenommen haben, genau 31 Jahre vor dem Tag, an dem er starb.
PPS: Zufall
PPPS: Hier kommt das geklaute Howe Gelb-Autovideo in seinem eigenen Video zur Platte NOT ON THE MAP mit dem Colorist Orchstra und Pieta Brown vor:
THOMAS BRASCH IM BABYLON
Das ist das Kino Babylon. Dort fand vom 22.-24. November 2021 ein Thomas Brasch-Festival statt. Drei Tage Bühne, Film und Musik mit Katharina Thalbach, der Bolschewistischen Kurkapelle Schwarz-Rot, Masha Qrella und Jella Haase & Albrecht Schuch (die im Film LIEBER THOMAS von Andreas Kleinert die Hauptrollen spielen).
Der wundervolle Fotograf Lars Reimann war an allen drei Abenden dabei und hat Bilder gemacht, die wir hier unten zu einem Film zusammengeschnitten haben. Die Musik darunter ist von Miles Davis. Es war eines von Thomas‘ Lieblingsstücken.
Der Film LIEBER THOMAS läuft immer noch im Kino …
LIEBES LEBEN
„Liebes Leben, manchmal bist du …
Wie ein Haufen Scheiße in einer Cornflakespackung
Wie singen müssen auf der eigenen Bestattung
Wie Brockhaus lesen in einer fremden Sprache
Wie Tieftauchen in einer Blutlache
Wie ein Kartenhaus bauen während hundert Stunden Achterbahn
und dieses dann aufm Kopf nach Oslo mitm Laster fahren
Wie Schlittschuhlaufen mit Kufen aus Butter
Wie Gulasch essen mit sieben Kilo Zucker
Wie eine Lüge, die sich selbst beweist
Wie eine Wahrheit, die sich selbst bescheißt
Wie eine Formel mathematischster Art,
die sich auf halber Strecke mit einem Gefühlsausbruch paart
Die beiden heiraten und vollkommen rätselhaft
gebären sie ein Kind, das Feuer spuckt und Kekse kackt.
Sie nennen es Universum, sagen: Komm, Kind, geh spielen!
Universum sagt: Spielen? Geht aber nur unter Vielen!
Ich bastele mir Wesen, die sich selber rekreiern
und lasse sie dann auf Wesen namens Planeten rumspazieren.
Die Eltern sagen: Klar Kind, machma wie du magst.
Billiarden Jahre später ham wir den Salat“
(Text: Robert Gwisdek, Musik: Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi)
SISTERS WITH TRANSISTORS
Das ist Laurie Spiegel. Sie ist Komponistin und eine der Protagonistinnen des Dokumentarfilms SISTERS WITH TRANSISTORS. Darin erzählt die Filmemacherin Lisa Rovner die Geschichte jener Frauen, die sich neue Maschinen und Technologien zu eigen machten, um auf visionäre und mitunter radikale Weise die Grenzen der Musik neu zu definieren. Mit dabei auch Clara Rockmore, Daphne Oram, Bebe Barron, Pauline Oliveros, Delia Derbyshire, Maryanne Amacher, Eliane Radigue und Suzanne Ciani. Erzählt wird die Geschichte von Laurie Anderson.
Der Film ist seit ein paar Tagen für knapp 10£ in Großbritannien streambar, hier leider nicht. Aber vielleicht ändert sich das ja noch.
WOANDERS
Nikolaj Gyngasow/Global Look Press
Das ist eine Bronzefigur in der Moskauer Metrostation PLATZ DER REVOLUTION. Sie zeigt einen Grenzsoldaten mit seinem Hund. Die Schnauze des Tieres ist blank, weil sie täglich unzählige Male von Moskovitern gestreichelt wird. Sie glauben fest daran, dass dadurch ihre Wünsche in Erfüllung gehen.
Dieses Ritual ist das Motiv eines Videos, das die Filmemacherin Diana Näcke zum Song WOANDERS von Masha Qrella gemacht hat. Es ist der Titelsong des Albums, für das die Musikerin Texte von Thomas Brasch vertont hat und das heute erscheint.
KARL DIE GROSSE
Das ist die Band KARL DIE GROßE. Sie kommen aus Leipzig und machen seit Jahren sehr gute, lässige, kluge und warme Musik.
Am 16. Oktober ist ihr neues Album „Was wenn keiner lacht“ erschienen, das sie über Crowdfunding finanzieren. Kann man noch prima unterstützen …
Auch sehr schön und interessant: Das Soloprojekt SUNTJE der Karl die Große-Posaunistin Antonia Hausmann.